Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung
Das Problem der Denkweise hat für die Arbeiterbewegung, für den Klassenkampf ebenso wie für den revolutionären Parteiaufbau und den Aufbau des Sozialismus eine ausschlaggebende Rolle eingenommen. Der gesellschaftliche Kampf zwischen proletarischer und kleinbürgerlicher Denkweise ist die materielle Grundlage für die Entwicklung des Klassenbewusstseins und damit für den Verlauf des Klassenkampfs.
Der REVOLUTIONÄRE WEG 26 entwickelt erstmals die Lehre von der Denkweise und weist ihre Übereinstimmung mit dem Marxismus-Leninismus nach. Er leitet sie materialistisch aus den gesellschaftlichen Veränderungen und durch die Auswertung der Theorie und Praxis des Klassenkampfs in der BRD und unter Berücksichtigung der Erfahrungen der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung ab.
Er gibt eine Anleitung, wie die marxistisch-leninistische und Arbeiterbewegung mit der kleinbürgerlichen Denkweise, die durch tausend Türen in die proletarische Bewegung eindringt, fertig werden kann. Der REVOLUTIONÄRE WEG 26 begründet die Notwendigkeit der Arbeit auf der Grundlage der proletarischen Denkweise.
Im Buchhandel erschienen unter:
Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung
Erschienen: 1995
Ausgabe Revolutionärer Weg:
Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung
37 Jahre lang war er Parteivorsitzender der MLPD und leitet heute noch ihr theoretisches Organ REVOLUTIONÄRER WEG. Stefan Engel war Ideengeber und erster Hauptkoordinator der revolutionären Weltorganisation ICOR. Er prägte mit Willi Dickhut zusammen den Stil der MLPD als revolutionäre Arbeiterpartei und machte die bewusste Anwendung der dialektischen Methode auf alle Seiten der Parteiarbeit zu einem Markenzeichen der MLPD. Tausende Kader durchliefen seine Ausbildung.
Er fördert besonders die Jugend und bereitete so den Generationswechsel der MLPD vor.
Leseprobe
Vorwort | 6 |
I. Die Bedeutung der Denkweise | |
1. Die Wirkung der Denkweise in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft | 9 |
2. Die Bedeutung der Denkweise in der Produktionsweise des Kapitalismus | 28 |
3. Die Rolle der Denkweise bei der Veränderung im politischen Überbau der kapitalistischen Gesellschaft | 42 |
4. Die modernen Massenmedien und die bürgerliche Massenkultur als Hauptmittel zur Verbreitung der kleinbürgerlichen Denkweise unter den Massen | 57 |
5. Die abhängige Intelligenz als Hauptträgerin der kleinbürgerlichen Denkweise im staatsmonopolistischen Kapitalismus | 74 |
6. Die Zerstörung der sozialistischen Gesellschaft und die Unterschätzung der Bedeutung der Denkweise | 91 |
7. Der Neuaufbau der revolutionären Partei und das Problem der Denkweise | 113 |
II. Die kleinbürgerliche Denkweise und ihre zersetzende Wirkung in der Arbeiterbewegung | |
1. Das Klassenbewußtsein der Arbeiterklasse als Ergebnis des Kampfs zwischen der proletarischen und der kleinbürgerlichen Denkweise | 120 |
2. Die Gesetzmäßigkeiten im Kampf zwischen der kleinbürgerlichen und der proletarischen Denkweise | 130 |
3. Reformismus und Revisionismus als Hauptformen der kleinbürgerlichen Denkweise in der Arbeiterbewegung | 149 |
4. Der Weg der GRÜNEN von der kleinbürgerlichen Protestpartei zur staatstragenden Reformpartei | 164 |
5. Die PDS als Sammelbecken der kleinbürgerlichen Linken | 176 |
6. Die zersetzende Rolle der kleinbürgerlichen »marxistisch-leninistischen Bewegung« beim Parteiaufbau | 189 |
III. Parteiaufbau und Klassenkampf auf der Grundlage der proletarischen Denkweise | |
1. Klassenbewußtsein und proletarische Denkweise | 203 |
2. Marxistisch-leninistische Theorie und revolutionäre Praxis auf der Grundlage der proletarischen Denkweise | 211 |
3. Die Bedeutung der überparteilichen Selbstorganisation der Massen, der positiven Gewerkschaftsarbeit und der marxistischleninistischen Jugendmassenorganisation | 230 |
4. Die Kontrolle der Denkweise – das System der Selbstkontrolle der Partei neuen Typs | 248 |
5. Die Neuformierung der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung | 264 |
6. Die Lehren für einen neuen Aufschwung des Kampfs für den Sozialismus | 280 |
Die internationale marxistisch-leninistische und Arbeiterbewegung steht nach dem Bankrott des bürokratischen Kapitalismus in der Sowjetunion und den Ländern Osteuropas vor einer historischen Entscheidung: Vorbereitung eines neuen internationalen Aufschwungs des Kampfs für den Sozialismus oder Kapitulation vor dem modernen Antikommunismus mit seinen Angriffen auf den Marxismus-Leninismus, vor der Niederlagenstimmung und den zeitweiligen Schwierigkeiten?
Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hat es ausgereiftere materielle Grundlagen für eine Gesellschaftsordnung ohne Ausbeutung und Unterdrückung, für ein friedliches und gleichberechtigtes Zusammenleben und für den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zum gegenseitigen Nutzen der Völker gegeben. Die Umwälzung der kapitalistischen Produktionsbasis zu einer internationalen Produktion unter der Herrschaft einiger weniger multinationaler Monopole geht einher mit einer Internationalisierung der Krisen und des Klassenkampfs. Die Allgemeine Krise des Kapitalismus ist in ihre 5. Phase getreten, in der das kapitalistische Weltsystem einer ausgeprägten Labilität und einer allgemeinen Destabilisierung ausgesetzt ist. Die allseitige materielle Vorbereitung der sozialistischen Gesellschaft durch die revolutionäre Entwicklung der Produktivkräfte ist der Boden für einen neuen Aufschwung des Kampfs für den Sozialismus.
Zu diesem Aufschwung wird es kommen, wenn auch die dafür erforderlichen subjektiven Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu müssen die grundlegenden Fragen, die die Geschichte und die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen aufgeworfen haben, erschöpfend beantwortet werden:
- Wie und warum war es möglich, daß sich ausnahmslos alle ehemals sozialistischen Länder wieder in kapitalistische Länder verwandelten?
- Welche Ursachen hat der offensichtliche Widerspruch zwischen der objektiven Entwicklung des imperialistischen Weltsystems und dem dahinter zurückgebliebenen Klassenbewußtsein der Arbeiterklasse und anderer werktätiger Massen, insbesondere in den Ländern des staatsmonopolistischen Kapitalismus?
- Woher kommt die vorherrschende Zersplitterung der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung?
- Was ist der allgemeine Kern der unübersehbaren Probleme beim Neuaufbau marxistisch-leninistischer Parteien neuen Typs nach der revisionistischen Entartung der meisten ehemals kommunistischen Parteien?
- Welche tieferen Ursachen haben die gesellschaftlichen Veränderungen im Rahmen des imperialistischen Weltsystems, und was sind ihre Auswirkungen auf die Entwicklung des internationalen Klassenkampfs?
- Welche Schlußfolgerungen haben die Marxisten-Leninisten in Theorie und Praxis für den revolutionären Kampf um den echten Sozialismus, für den Aufbau der marxistisch-leninistischen Partei neuen ,Typs sowie die Gewinnung der entscheidenden Mehrheit der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten zu ziehen?
Die MLPD ist zu der Erkenntnis gekommen, daß sich ohne ein Aufdecken und tiefgehendes Begreifen der Gesetzmäßigkeiten des Kampfs um die Denkweise in der Arbeiterbewegung keine dieser Fragen beantworten läßt. Das bedeutet nicht, daß die Lehre von der Denkweise bereits die Antworten
auf alle neuen Erscheinungen in Natur und Gesellschaft geben kann. Sie ist aber gegenwärtig der Schlüssel, vorausschauend, treffsicher und schöpferisch an alle theoretischen und praktischen Probleme des Klassenkampfs heranzutreten und sie zu lösen.
Der REVOLUTIONÄRE WEG 26 "Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung" weist die Übereinstimmung der Lehre von der Denkweise mit dem Marxismus-Leninismus nach und leitet sie materialistisch aus den gesellschaftlichen Veränderungen ab. Durch Auswertung der Theorie und Praxis des Klassenkampfs in der BRD und unter Berücksichtigung der Erfahrungen der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung zieht der REVOLUTIONÄRE WEG 26 die notwendigen Schlußfolgerungen für die Selbstveränderung der MLPD auf der Grundlage der proletarischen Denkweise. Diese Selbstveränderung der MLPD ist gegenwärtig ihr wichtigster Beitrag, den sie für die Neuformierung der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung im Kampf für den echten Sozialismus leisten kann.
Zentralkomitee der MLPD, Gelsenkirchen, September 1995
Rezensionen
C,RW-Redaktion RW 38, 18.05.2025
Lieber Genosse,
ich habe Deine Überlegungen zum Abschnitt Psychologie im RW 38 »Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft« von der RW-Redaktion bekommen mit der Bitte, Dir auf den letzten Brief zu antworten.
Im Grundsatz sind wir uns zum RW 38 einig. Stefan Engel hat Deine Ausführungen kritisch gewürdigt. Er kritisiert grundlegende Fehler und weist darauf hin, dass der RW kein Lehrbuch der Psychologie sein kann.
Aus Deinen Briefen geht hervor, dass Du mit der Beurteilung neurobiologischer Erkenntnisse von Bauer und der Beurteilung von I.P. Pawlow im RW 38 nicht einverstanden bist. Deiner Meinung nach hat die RW-Redaktion die Erkenntnisse I.P. Pawlows über die Funktionsweise des psychischen Apparats falsch bewertet, ihn undialektisch negiert und sich von Erkenntnissen der bürgerlichen Hirnforschung (J. Bauer) fehlleiten lassen.
Der RW anerkennt Pawlows große Fortschritte über die Funktionsweise des Nervensystems. Er ersetzte die religiös behaftete »Seele« durch Naturwissenschaft. Als ein Materialist war er ein gefürchteter Gegner der Psychoanalytiker und Behavioristen.
Was die Bewertung Pawlows betrifft, so machst Du da Fehler. M.E. rühren sie daher, dass Du in einigen Punkten die Pawlowsche Lehre und nicht die proletarische Weltanschauung und Methode als Ausgangssynthese der Beurteilung psychischer Fragestellung gemacht hast. Ich sehe auch ein Problem in einem wenig schöpferischen Umgang mit den Neurowissenschaften vergangener Jahrzehnte, weshalb Du bei ihr keinen Fortschritt erkennst. Ich möchte das an einigen Punkten verdeutlichen.
Erstens.
Bekanntlich spielen unvermittelte Gegensätze mit starken Erregungsprozessen und mangelnder Hemmungsfähigkeit in Pawlows Lehre eine wichtige Rolle. 1 In wissenschaftlichen Experimenten mit Laborhunden hat er ihre Folgen für ihr Nervensystems erforscht, streng materialistisch die Bedingungen untersucht, die es schädigen oder den Zusammenbruch ihrer Funktionen nach sich ziehen. Seine Arbeit war eine herausragende Leistung seiner Zeit; sie führte den Materialismus ein in die bis dahin herrschende religiöse »Seelenlehre«, weshalb er von Lenin auch geschätzt worden ist.
Man darf jedoch die Pawlowsche Lehre nicht ohne Weiteres auf Menschen übertragen. Seine Erkenntnisse wurden mit Hunden gewonnen; die Bewusstheit spielte kaum oder keine Rolle. Stefan hat kritisiert, dass – entgegen Deiner ursprünglichen Darlegung – der Widerspruch zwischen kleinbürgerlicher Denkweise und Wirklichkeit i.A. kein unvermittelter Widerspruch ist und auch dass die Gesellschaft sonst gar nicht funktionieren würde. Du hast hier einfach die Laborergebnisse Pawlows zur Ausgangssynthese gemacht und auf den Menschen übertragen. Der RW 26 »Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung« führt dazu aus, dass sich die kleinbürgerliche Denkweise in die proletarische verwandeln kann – und umgekehrt. Wäre das nicht so, könnten kleinbürgerliche Intellektuellen nicht Bündnispartner der Arbeiterklasse sein oder auf deren Klassenstandpunkt übergehen. Wenn man das nicht beachtet, sind Dogmatismus und sektiererische Fehler die Folge. Unsere Linie muss die Ausgangssynthese bei der Analyse menschlicher psychischer Erkrankungen sein.
Im Übrigen hat Pawlow die Rolle der unvermittelten Gegensätze nur als eine von mehreren Ursachen psychischer Erkrankungen bezeichnet. Er schreibt: »Die Momente, die bei uns bisher die Neurosen bedingten, sind folgende: 1. zu starke oder zu komplizierte Reize; 2. die Überanstrengung des Hemmungsprozesses; 3. die Kollision (unmittelbare Folge) beider gegensätzlicher Nervenprozesse; und endlich 4. die Kastration.« 2
Zweitens.
Toxisch bedingte psychische Störungen sind bei Pawlow meines Wissens kein Thema. Er hat in seiner Tätigkeit nur »soziale Lebenserfahrungen« (von Tieren) als Quelle psychischer Fehlentwicklung untersucht. Eine Ursache dafür ist sicher, dass es zu seiner Zeit noch keine globale Umweltkrise gegeben hat. Aber noch heute werden in der Psychodiagnostik und Psychotherapie toxische Belastungen nicht oder als untergeordneter Aspekt in der Verursachung psychischer Erkrankungen betrachtet; und dass wo es doch heute kaum einen toxisch unbelasteten Organismus auf der Erde gibt. Aus diesem Grund nimmt das zu Recht im RW einen größeren Raum ein. Zudem treten psychosozial und toxisch-physiologisch bedingte Übererregung (Entzündung) immer gemeinsam auf. Sie bilden eine dialektische Einheit, bei der mal die eine (z.B. durch Kriegs- und Umweltkatastrophen bedingte Traumata) oder die andere (Gifte wie Pestizide, Schwermetalle, Nanoplastik usw.) im Vordergrund stehen. Sie müssen folgerichtig in ihrem Zusammenhang untersucht, bekämpft und überwunden werden. Mit dieser Thematik hat sich Pawlow gar nicht befasst.
Drittens.
Der RW 38 weist darauf hin, dass jede psychische Aktivität materieller Natur ist und dass Denkweise und körperlich-stoffliche Seite eine dialektische Einheit bilden. Er betont, dass bei psychischen Erkrankungen die Bewusstheit entwickelt und die Betroffenen zu bewusstem Denken, Fühlen und Handeln befähigt werden müssen. Pawlow führte seine wissenschaftlichen Experimente hauptsächlich an Laborhunden durch. Die ausschlaggebende Rolle der Bewusstheit des Menschen spielte er herunter. Wie bei Hunden betrachtete er das Verhalten der Menschen als deterministisch. Er schrieb: »Was aber den Menschen betrifft, hören wir nicht auch jetzt noch von der Willensfreiheit, und ist denn nicht in einer Unzahl von Gehirnen die Überzeugung eingewurzelt, dass in uns ein Etwas ist, dass sich nicht determinieren lässt?« 3 An anderer Stelle spricht er von einer Maschine, was im RW kritisiert worden ist.
Das wurde in der proletarischen Kulturrevolution in China kritisiert, die Entwicklung von Bewusstheit der Erkrankten gefördert mit dem Ziel, die »Wirklichkeit« zu verändern. Pawlows psychotherapeutische Methoden wurden kritisiert, neue psychotherapeutische Verfahren unter Einbeziehung von gemeinsamem Studium und Anwendung der Dialektik angewandt; in die Psychotherapie wurde Umweltschutz, Produktionsbedingungen und familiäres Leben einbezogen, verändert und verbessert. Davon blieb Pawlow weit entfernt.
Viertens.
Folgt man Deinen Briefen, dann hat der Erkenntniszuwachs mit Pawlow aufgehört und es sind keine neuen materialistischen Forschungsergebnisse mehr hinzugekommen. So schreibst Du: »In dem 2004 herausgegebenem Manifest (Gehirn & Geist, 6/2004) von 11 führenden bürgerlichen Neurowissenschaftlern wird zugegeben, dass über das Geschehen zwischen den Verbänden von hunderten oder tausenden Zellen bisher kaum Fortschritte gemacht wurden.«
Seit 100 Jahren sollen keine neuen Erkenntnisse mehr erzielt worden sein? Dieser Standpunkt ist mit dem dialektischen Materialismus unvereinbar, weil die Naturwissenschaft Bestandteil der Höherentwicklung der Produktivkräfte ist. Selbst in der Physik, wo mit der idealistischen Urknalltheorie Materialismus und Dialektik unterdrückt werden, finden wir diese zuhauf. Lenins forderte uns auf, dass wir (die Marxisten-Leninisten) uns mit den zum Materialismus neigenden Wissenschaftlern verbinden, sie für den dialektischen-Materialismus gewinnen müssen. Deinen Briefen muss man entnehmen, dass es zum Materialismus neigende Wissenschaftler auf dem Gebiet der Psychologie seit Pawlow nicht mehr gibt.
Fünftens.
In Deinem Brief vom 30.05.25 an Stefan schreibst Du, dass Pawlow richtig erforscht habe, »wie die äußere Welt im Nervensystem widergespiegelt wird. Nicht durch ein fertiges neuronales Netzwerk, wie die bürgerliche Hirnforschung behauptet, sondern durch ein dynamisches System zeitweiliger Verbindungen...«. Du kritisierst Stefan und die RW-Redaktion: »Dass es aus Deiner Sicht nicht ganz einleuchtend ist, hängt damit zusammen, dass im RW eine mechanische Widerspiegelung im Gehirn von Joachim Bauer übernommen wird.«
Das entspricht nicht den Tatsachen. Warum machst Du Dir nicht die Mühe, die Spreu vom Weizen zu trennen und die richtigen Seiten und Erkenntnisse der bürgerlichen Hirnforschung kritisch herauszuschälen, anstatt Joachim Bauer eine Theorie von festen, unveränderlichen neuronalen Netzwerken zu unterstellen? Du zitierst selbst das Programm der MLPD, wo es heißt: »Der Sozialismus ist die Zusammenfassung der fortgeschrittensten Ideen und Errungenschaften der Menschheit«. 4 Deiner Meinung nach hat es auf diesem Gebiet in den 100 Jahren nach Pawlow keine mehr gegeben. Ich möchte kurz und unvollständig auf bedeutende Fortschritte der modernen Hirnforschung eingehen.
Der Mensch hat ca. 20 Milliarden Nervenzellen. Weil jede einzelne mit bis zu 10.000 Nervenzellen miteinander verschaltet, verknüpft oder auch voneinander isoliert (gehemmt!) werden kann, kann es viele Billionen verschiedene Verknüpfungsmuster, assoziative Netze geben. Mit ihrer Hilfe können wir uns an Vergangenes erinnern. Nervenzellen bringen die Außenwelt und Innenwelt zusammen, sind elementar an der Widerspiegelung beteiligt; in ihrer Assoziation bilden sie Nervenzellverbände, neuronale Netzwerke, welche von einfachen zu immer komplexeren zusammengeschaltet und nicht dazu gehörende gehemmt, ausgegrenzt werden können. Man kann das mit einem Musikorchester vergleichen, welches durch zeitweilige Assoziation (mal spielen alle, mal nur ein kleiner Teil, die einen forte die anderen piano usw.) unendliche verschiedene Melodien, Akkorde, Läufe, Variationen usw. erzeugen kann.
Das Gehirn spiegelt die Außen- und die körperliche Innenwelt mittels Assoziation, Konzentration und Zusammenfassung wieder. Zu Beginn steht die Bildung erster neuronaler Netzwerke im Mutterleib, welche ständig entwickelt, modifiziert werden bis zum Tod. Assoziation und Dissoziation reichen von einfacher, unimodaler Wahrnehmung , hin zu multimodaler durch Zusammenfassung und Konzentration und bis zur höchsten Form von Netzwerken mit der Eigenschaft der Abstraktion und Bewusstheit. Ständig geprüft und »geschliffen« werden sie in der Praxis – das ist das, was im Abschnitt Psychologie des RW 38 von Joachim Bauer zu den neuronalen Netzwerken beschrieben ist. Diese Erkenntnisse bestätigen die marxistische Erkenntnistheorie, den Weg von sinnlicher zu rationaler und theoretischer Erkenntnis. Der RW 38 kritisiert Bauer schöpferisch, weil in seiner Weltanschauung die Veränderung der Wirklichkeit, der Produktions- und der Klassenkampf keine Rolle spielt.
Sechstens.
In diesen neuronalen Netzwerken sind elementare Erkenntnisse von Pawlow aufgenommen und weiter entwickelt. Damit in den Netzwerken Milliarden oder Billionen Neuronen stumm (gehemmt) oder aktiv sein können, spielen Formen der Erregung und Hemmung eine bedeutende Rolle.
Wenn ein Mensch, entsprechend seiner individuellen Geschichte und Erfahrungen, über zig Tausende, Millionen solch verschiedener Netzwerke verfügt, assoziativ, reproduzierbar und sich stets entwickelnd – wie und wo werden diese gespeichert und reproduzierbar? Wer sorgt für ihre ständige Veränderung?
Zu diesen Fragen haben die Naturwissenschaft revolutionäre Erkenntnisse gemacht, von denen Pawlow nichts wusste bzw. wissen konnte. Jede Nervenzelle verfügt über Tausende Kontaktstellen, Synapsen genannt, die ihr die Bindung oder Trennung mit Nachbarzellen und damit die neuronalen Netzwerke überhaupt erst möglich machen. Mit Hilfe epigenetischer Schalter können Zellen aktiv ins Netzwerk assoziiert oder dissoziiert werden, für die Vermehrung neuer Synapsen gesorgt, Synapsen vergrößert oder verkleinert, Wachstumsfaktoren oder neue Botenstoffe produzieren werden – oder einfach alles stumm auf Hemmung stellt werden. Auf diese Weise können, entsprechend den Anforderungen der Außen-, der Körperinnenwelt, mittels Genaktivität ständig neue Netzwerke gebildet, alte aktiviert, erweitert, umgeformt und andere gehemmt werden. Regulator ist die Außen- und Innenwelt, bestätigt und kontrolliert werden sie über die Praxis. Aber eben nicht nur - sie werden vom Menschen auch durch die Bewusstheit neu geformt und der Mensch in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit gebracht. Unter psychischen Erkrankungen werden »falsche«, pathologische Netzwerke gebildet, mit denen die Repräsentation der Wirklichkeit nicht mehr gelingt.
Pawlow wird im RW gewürdigt und dialektisch, d.h. schöpferisch kritisiert. Er lebte in der sozialistischen Sowjetunion und hatte gute Forschungsbedingungen. Er war ein Materialist, aber keineswegs der letzte. Auch der Kapitalismus brachte und bringt materialistisch gewonnene Erkenntnisse hervor. Wäre dem nicht so, wäre die Ausrichtung des RW auf die Bewegung der streitbaren Materialisten unmöglich.
Fortschrittliche, mitunter revolutionäre Naturerkenntnisse der Hirnforschung aus dem »Mist« von Idealismus und Metaphysik herauszuschälen, die Spreu vom Weizen zu trennen und ihre Erkenntnisse für den weltanschaulichen Kampf zu nutzen ist eine unserer Aufgaben.
Herzliche Grüße
C.
1I.P. Pawlow, Zwanzigjährige Erfahrungen, AW III.2, S. 400 ff.; S.418; Experimentelle Neurosen, S.431 ff.
2I.P. Pawlow, Experimentelle Neurosen, AW III.2, S. 431
3ebd., S. 412
4Programm der MLPD, S. 160
Gegenwärtig können wir ein Ende der relativen Stabilisierung des Kapitalismus markieren. Wir sind Zeugen von Prozessen, die in naher Zukunft zu einer viel größeren Krise führen können. Einer Krise, die die Weltgeschichte schon einmal gekannt hat.
In den kommenden Jahren wird das kapitalistische Weltsystem aufgrund verschiedener objektiver und subjektiver Faktoren Widersprüche anhäufen, die sowohl innerhalb einzelner Länder als auch weltweit eine revolutionäre Situation schaffen werden.
Die derzeitige Epidemie von COVID-19 hat gezeigt, dass sich Prozesse recht schnell und sogar sprunghaft entwickeln können. Die Menschheit war trotz all ihrer fortgeschrittenen Wissenschaft und Medizin nicht auf diese Herausforderung vorbereitet. Das wichtigste Mittel zur Bekämpfung der Pandemie war, wie vor vielen Jahrhunderten, die ganz gewöhnliche Quarantäne.
Die Pandemie hat die kleinbürgerlichen Schichten der Bevölkerung hart getroffen, ganze Branchen wie Tourismus, Dienstleistungen und Kleinhandel werden ruiniert. De facto wurde die Armee der Arbeitslosen durch viele Millionen ehemaliger Kleinbürger weiter aufgefüllt. Sie werden rasch proletarisiert, und um überhaupt elementar zu überleben, werden sie auf den Platz von Millionen und Abermillionen von ausländischen und Saisonarbeitern rücken und sie ersetzen.
Die Bewegungsfreiheit der Menschen und ihr Konsum wurden stark eingeschränkt. Die Krise im Zusammenhang mit der Verbreitung von COVID-19 ist natürlich international geworden und hat das Leben und Wohlergehen von Milliarden von Menschen aus allen Teilen der Welt beeinträchtigt. Trotz der Herrschaft einiger weniger Monopole und der Internationalisierung der Produktion wird der internationale Handel zwangsläufig zurückgehen, und als nächste Folge davon wird die Rolle der Industrie in den Ländern, aus denen die Produktion in letzter Zeit abgezogen wurde, wieder zunehmen. Eine neue Industrialisierung steht vor der Tür, und mit ihr wird die Rolle der Arbeiterklasse in den traditionellen Industriezentren unweigerlich zunehmen.
Die Krise der Pandemie ist noch nicht vorbei. Spezialisten geben nicht einmal genaue Vorhersagen über ihr Ende ab. Aber heute ist es klar, dass die Menschheit in eine neue Ära eintritt, und deshalb entstehen neue Bedingungen für den Klassenkampf. Die Arbeiterklasse wird notwendigerweise ihren politischen Willen stärker zum Ausdruck bringen, sowohl im Laufe des spontanen Kampfes, durch Demonstrationen, Streiks und Proteste, als auch durch den Aufbau einer kämpferischen politischen Organisation.
In diesem Zusammenhang muss man anerkennen, dass die Herausgabe des Buches des bekannten Theoretikers der marxistisch-leninistischen Weltbewegung Stefan Engel, "Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung", jetzt in Russland zur rechten Zeit kommt und äußerst aktuell ist.
Wieso erscheint dieses Buch genau zur rechten Zeit?
Es ist bekannt, dass in der politischen Weltgeschichte viele Male politische Gruppen auftauchten, die die Worte "Kommunist", "Arbeiter" oder sogar "marxistisch-leninistisch" im Namen trugen. Die meisten von ihnen entwickelten sich bis zu einem gewissen Grad und gingen dann unweigerlich in den Dienst des Kapitals über oder wurden marginalisiert und traten von der Bühne ab. Versuche, sich durch die politische Komponente des Klassenkampfes, durch Parteien, Parlament und Gewerkschaften auszudrücken, waren selten erfolgreich für Organisationen, die die vitalen Interessen der Arbeiterklasse zum Ausdruck bringen wollten.
Es stellt sich die Frage: Warum ist dies geschehen?
Stefan Engels Buch enthüllt erstmals die Gründe für solche Fehlschläge und führt die Lehre von der Denkweise in die wissenschaftliche Auseinandersetzung ein. Um genauer zu sein, sollten wir über zwei seiner Tendenzen in der Arbeiterbewegung sprechen: proletarische und kleinbürgerliche Denkweise.
Zum ersten Mal und von einer neuen Seite wird das Charakteristikum der kleinbürgerlichen Denkweise und ihres zersetzenden Einflusses auf die Arbeiterbewegung auseinander genommen. Durch den Reformismus, durch die modernen Massenmedien und durch die abhängige Intelligenz als Hauptträger ihrer verderblichen Ideen wird den Arbeitern die Ideologie des Kleinbürgertums aufgedrängt, dringt sie in die revolutionären Organisationen ein und zerstört sie von innen heraus. Die kleinbürgerliche Denkweise ist der Hauptgrund für das Scheitern im Klassenkampf, im Parteiaufbau und im revolutionären Aufbau.
Das Buch bietet eine detaillierte Analyse der Ursachen für die vorübergehende Niederlage des sozialistischen Systems in der UdSSR und in den Ländern Osteuropas. Die revisionistische Entartung, die 1991 mit einer offenen Kapitulation endete, begann lange vor Gorbatschow und seiner Perestroika. Die Unterschätzung des Kampfes um die Denkweise in dem Land, in dem alle Macht den Arbeitern zu gehören schien, führte dazu, dass die Verbreitung verderblicher Eigentümer-Initiativen unter den Bürgern der UdSSR zu einer allgemeinen Erscheinung wurde. Ohne die Ursachen der Niederlage zu qualifizieren, ist es unmöglich, voranzukommen, und in diesem Sinne gibt uns die Arbeit von S. Engel einen ausgezeichneten Überblick über die Situation aus einer neuen Perspektive.
Aber nicht nur in der ehemaligen Sowjetunion und in den osteuropäischen Ländern ist die Situation mit der Verstopfung des Bewusstseins der Massen mit revisionistischen und reformistischen Ideen völlig außer Kontrolle geraten und hat sie, die Arbeiter, im wesentlichen zu gewöhnlichen Menschen gemacht, die sich ihrer grundlegenden Interessen nicht bewusst sind. Ähnliche Prozesse finden in den traditionellen Industriezentren statt, wo die Arbeiter, wie es schien, seit langem den Klassenkampf führen und seit vielen Generationen ernsthafte politische Erfahrungen gesammelt haben. Man muss anerkennen, dass die Länder des Ostblocks in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts noch vorwiegend Agrarländer waren. Eine vollwertige Arbeiterklasse war dort erst kurz vorher entstanden. Vielleicht gelang es deswegen den Revisionisten so leicht, die früheren Bauern zu betrügen.
In Westeuropa findet der Prozess der Aufdrängung der kleinbürgerlichen Ideologie in verfeinerten und ausgeklügelten Formen statt, was ihn nicht weniger feige und gefährlich macht. Am Beispiel von Deutschland wird in dem Buch sehr gut gezeigt, wie das vor sich geht.
Zuletzt, im dritten Teil des Buches wird der Blick auf das wachsende Klassenbewusstsein gerichtet auf der Grundlage des Entstehens und der Förderung der proletarischen Denkweise unter den Arbeitern.
Die proletarische Denkweise ist der verlässliche Garant der Selbstkontrolle beim Aufbau der revolutionären Partei, bei der Verwandlung der spontan entstehenden Selbstorganisationen der Werktätigen in arbeitsfähige kämpferische und zusammengeschlossene Einheiten. Der Kampf um die proletarische Denkweise ist auf die Weise der Kern des Kampfs um die Verbesserung der Lage der Werktätigen, für ein würdiges leben und würdige Löhne, für die Arbeiterrechte, für den Sozialismus.
Das Buch betrachtet die Denkweise in der Arbeiterbewegung im Einzelnen, als untrennbare Wechselbeziehung ihrer Siege und Niederlagen, ihrer Erfolge und Misserfolge. Von diesem Blickpunkt aus ist das Studium den neuen Werks von S. Engel und sein allseitiges Durchdenken ein unerlässliches Werkzeug für den Parteiaufbau und für einen neuen Aufschwung des internationalen Klassenkampfs.